Seit gut drei Wochen wohne ich nun in einem ganz kleinen Zimmer (siehe oben, Sicht vom Balkon siehe unten) in einem ganz grossen Studentenheim, in einer unfassbar grossen Stadt. Der Komaba-Campus, wo die "International Lodge" liegt, ist im Stadtteil Shibuya ist ein sehr junges, trendiges Quartier. Haupttätigkeiten Shopping und Clubbing. So werden auch die Japanischen Tussies mit ihren blond gefärbten Haaren und kurzen Jeans als "Shibuya-girls" bezeichnet. Hier lebt man 24/7, die Grenzen zwischen Tag und Nacht verschwinden. Die erste U-Bahn im sonntäglichen Morgengrauen nach dem Ausgang ist so voll wie während der Rush-hour. Nur die farbigen Röcke wechseln sich mit schwarzen Anzügen ab.

Obwohl Japan nicht gerade ein Einwanderungsland ist - was nur schon der Gesichtsausdruck der Beamten der Immigrationsbehörden klarmacht, gibt es sehr viele ausländische Studenten an der Uni Tokyo (=Tokyo daigaku, kurz Todai). Im Studentenheim sinds Leute aus aller Welt, sogar einige die Deutsch oder Französisch sprechen. Hauptsächlich natürlich Asiaten. China, Vietnam, Indien und die Philippinen pflegen einen regen akademischen Austausch mit Japan, v.a. in der Erdbebenforschung. Mit diesen Studenten habe ich einfach Kontakt gefunden, denn sie sind auch sehr offen für neue Kontakte.
Fremde Japaner anzusprechen ist im Alltag eher schwierig. In der U-Bahn beispielsweise wäre es sehr aufdringlich, wenn man einfach Smalltalk beginnen würde. Die Leute wollen sich erholen, schlafen, lesen oder Emails schreiben während der Reise. Im Ausgang )wenn sie schon etwas getrunken haben= sind die Japaner dann fast euphorisch, schliessen gerade Freundschaft aber wollen lieber lauthals singen als lange Gespräche führen.
Sehr gut aufgehoben bin ich aber an der Uni. Da die Arbeitskollegen in Japan den Kern des Freundeskreises darstellen, wir auch viel daran gesetzt, dass es allen dort gefällt. Ich wurde schon an etliche "Welcome-Partys" der Uni eingeladen, meist so Apéro-Anlässe wo man schnell mit allen in Kontakt kommt. Mein Professor wollte bei der ersten "Party" von jedem ein Gedicht in der jeweiligen Muttersprache hören. Es zählt also viel mehr, als nur die Forschungsresultate. Der Mensch dahinter steht anfangs im Vordergrund. Und wenn ich von meinen Hobbies und aus meinem Leben erzählen, haben die Japaner eine Art, völlig fasziniert zu lauschen, unterbrochen von einem erstaunten Ausruf "Aa, so desu-ka!" (=Ach so ist das!).