Montag, 4. Dezember 2006

Die Zeit vergeht


Almaty ist eingetaucht in ein weisses Gewand. Die Temperaturen sind am Gefrierpunkt angelangt und die Sommerreifen der Almatiner werden in jeder Kurve getestet. Ein Grund mehr, mal durch die Berge zu streifen. Die letzten beiden Wochenenden haben wir wunderschöne Touren durch den Tien-Shan unternommen, gewärmt von Sonne, Tee, Wodka und russischen Anekdoten. In den stillen Bergen kommt der warme Charakter des kasachischen Volkes vielleicht noch viel besser zum Tragen als in den überfüllten Bussen. Bergab testete ich einen Schlitten aus Eigenproduktion und wir wurden in eine „Alphütte“ eingeladen, ans Feuer zu sitzen. Und nach einer langen Tour, kann man sich mit „Kymis“, der vergorenen Stutenmilch, wieder auf Trab bringen.

Viele Leute sind gehemmt ihre Fremdsprache auszupacken, die sie vor vielen Jahren mal in der Schule gelernt haben. Das zwingt mich umso mehr, mein Russisch zu präsentieren, was sich nach wochenlangem Selbststudium und einigen Privatlektionen aber noch ziemlich harzig gestaltet, denn sobald sich das Gespräch nicht mehr ums Einkaufen oder um die Familie dreht, fehlen mir schnell die Worte.

In den sieben Wochen hier habe ich (ausser dem Konsul) keinen einzigen Schweizer zu Gesicht bekommen, doch es gibt sie anscheinend auch hier. Business-Pioniere, die die Wracks der Sowjetunion ersetzen möchten.

Viele Leute hier träumen von Europa, vom Wohlstand, der sozialen Sicherheit… und sind versucht, es mit Glück zu verwechseln. Sie würden nur nach noch mehr Streben. Es gibt hier Werte wie Gastfreundschaft, Respekt und eine rührende Offenheit. Aber ich möchte nicht ein Wertemassstab über den anderen, sondern nur neben den anderen Stellen, um zu sehen, dass mit beiden gemessen werden kann. Und doch kann ich es nicht lassen euch zu fragen, wann ihr einen fremden Menschen, den ihr auf der Strasse getroffen habt, zum Tee eingeladen habt. Ein Kasache jedenfalls, würde wohl kaum im Kalender blättern :-)