In der Zwischenzeit erschien ein kleines Portät von mir in der Schaffhauser "Arbeiter Zeitung", gegründet als Sprachrohr des Generalstreiks 1918, heute eine lokale Wochenzeitung die politisch links Stellung bezieht. Naja, ich habe tendenziell eher einen linken Hintergrund, doch in meiner heutigen Situation eher Symbol der Globalisierten (Arbeits-)welt. In einem gewissen Sinne bringe ich jedenfalls Know-how nach Asien, wo es dringend benötigt wird. Die sich entwickelnden Volkswirschaften Ostasiens haben ein grosses Bedürfnis nach Infrastrukturbauten. Der Bauingenieur kommt!
Ich kopiere unten also das Porträt hinein (freundlich genehmigt), empfehle jedoch die PDF Version unter Seite1 und Seite2 zu finden.
Schon ein gewisser Kulturschock
Den Schaffhauser Florian Dieterle hat es nach seinem Bauingenieurstudium nach Singapur verschlagen. Dort arbeitet er im für ganz Asien zuständigen Planungsbüro einer Schweizer Firma.
Von Susi Stühlinger.
Die Verbindung steht. Florian Dieterle lacht aus dem Bildschirm, die halbe Redaktion starrt ihm, angelockt durch die Wunder der modernen Kommunikationstechnik entgegen. Es ist das erste «az»-Interview, das via «Skype» geführt wird. Bei ihm stehen die Uhrzeiger auf kurz vor neun Uhr abends und das Thermometer bei knapp 30 Grad Celius, während hier das Mittagessen grade erst im Magen angekommen ist und es draussen nicht aufhören will, zu schneien. Seit einem Monat weilt Florian Dieterle in Singapur. Dort hat der Bauingenieur, der in Stein am Rhein aufwuchs und im vergangenen Jahr sein ETH-Studium abschloss, seine erste Stelle angetreten.
«Jaja», antwortet er auf die Frage, ob er sich bereits einigermassen eingelebt habe. Das klingt reichlich nonchalant, wird jedoch verständlich, wenn man weiss, dass dies nicht sein erster Auslandaufenthalt ist, weilte er doch bereits für ein Berufspraktikum in Kasachstan und für sein letztes Studienjahr in Tokio. Dennoch ist diesmal etwas anders, denn: Der Aufenthalt in Singapur ist unbefristet. Ein paar Jahre wolle er schon bleiben, so der 25-Jährige, ganz genau weiss er es jetzt noch nicht. «Vertraglich bin ich verpflichtet, mindestens ein Jahr zu bleiben. Aber wenn ich mich erst gerade so richtig an alles gewöhnt habe, gleich wieder woanders hinzugehen, wäre ja auch unsinnig.»
Florian Dieterle arbeitet bei einer international tätigen Schweizer Baufirma, die sich auf Brücken spezialisiert hat. Vierzig Mitarbeiter beschäftigt der Standort Singapur, gut die Hälfte arbeitet an lokalen Projekten. Die andere Abteilung, welcher auch Florian Dieterle angehört, nennt sich «technisches Zentrum Asien» und ist für Planungsarbeiten zuständig: Etwa 15 Brücken erstelle die Firma gegenwärtig in Asien und Australien, erzählt der Bauingenieur. «Meine Aufgabe ist es, Brücken im Bauzustand mittels Statikberechnungen zu analysieren.» Seine Mitarbeiter stammen aus Singapur, China, Indien. Die Zusammenarbeit mit ihnen sei unproblematisch, so Dieterle, auch wenn er sich erst noch ein bisschen in der Gruppe zurechtfinden müsse. «Schweizer werden erfahrungsgemäss gut aufgenommen, wenn Vorurteile existieren, dann meist positive.» Dass er auf Angestelltenebene in seiner Abteilung der einzige Schweizer ist, erklärt er folgendermassen: «Die Schweizer beginnen ihre Karriere in der Regel zu Hause und werden dann irgendwann als Kaderleute ins Ausland geschickt.» Er hingegen hat sich, nach einem ersten Assessment in der Schweiz, gleich direkt in Singapur vorgestellt und dort den Vertrag unterschrieben. Das war Ende November letzten Jahres. Mittlerweile hat er eine Wohnung bezogen, die er selber suchen musste. «Das ging via Internet und ist bei der hohen Fluktuation hier relativ einfach». Während die Firma den in der Schweiz eingestellten Mitarbeitern Wohnungs- und Reisekosten erstattet, müsse er selber für diese aufkommen, so Dieterle. Allerdings erhalte er von der Firma dafür einen Zustupf.
Aber wieso wollte er denn überhaupt in Asien arbeiten? Einerseits sei die Infrastruktur in Europa schon sehr gut ausgebaut und darum werden relativ wenig Riesenprojekte wie Brücken mit Grossspannweiten neu gebaut. Im sich stark entwickelnden Süd- und Ostasien sei der Bedarf nach solchen Grossprojekten akut. „Andererseits möchte ich auch das hochentwickelte Ingenieur-know-how in die Welt tragen. Dorthin, wo ich denke dass es am meisten gebraucht wird. Dort warten auch die spannendsten Aufgaben auf mich.„
Sein Arbeitstag dauert acht Stunden. Am Morgen holt ein Bus ihn zu Hause ab und fährt ihn nach der Arbeit auch wieder zurück.
Dann bleibt Florian Dieterle Zeit, den Stadtstaat besser kennenzulernen. Speziell findet er vor allem den Mix aus drei Kulturen. «Es gibt viele Chinesen, Inder und Malaien. Obwohl sie oft die Staatsbürgerschaft haben, sehen sie sich nicht in erster Linie als Singapurer, sondern fühlen sich zu ihrer Ethnie zugehörig.» So sehe man in einem Stadtteil viele indische Geschäfte und Tempel, während man anderswo besonders gut Chinesisch essen könne. Und trotz der exotischen Atmosphäre, muss er in Singapur nicht auf westlichen Lebensstil verzichten. «Das Transportsystem ist super, die Räume überall klimatisiert. Verglichen mit anderen Orten in Südostasien ist es ziemlich angenehm und nicht gerade voll das Abenteuer.» Dennoch gibt es sie, die kleinen Unterschiede: «Viele der Geschäfte sind 24 Stunden geöffnet, wenn du plötzlich in der Nacht aufwachst, könntest dir im Laden schnell ein Bier holen.» Ein anderes kleines Beispiel sei die Abfalltrennung. «Da wird einfach alles in einen Sack geschmissen, die Trennung dann im Nachhinein von Hand und mit speziellen Maschinen vorgenommen.»
Was die Insel am untersten Zipfel von Malaysia an Freizeitbeschäftigungen biete, finde er gerade heraus, meint Florian Dieterle: «Es gibt viele Parks, wo ich auch schon Joggen oder Velofahren war.» Allgemein erfreuten sich Wassersportarten, auch ziemlich verrückte, wie etwa Wasserski grosser Beliebtheit bei der Bevölkerung. «Es gibt auch Badestrände, aber die sind nicht gerade schön: Den ganzen Tag fahren riesige Frachtschiffe hin und her, das Wasser ist alles andere als sauber.» Da zieht Florian Dieterle es vor, einen der zahlreichen, in der ganzen Stadt verteilten Swimming Pools zu besuchen, die für umgerechnet etwa einen Franken zugänglich sind.
Er versuche, sich jetzt langsam einen Bekanntenkreis aufzubauen, sagt Florian Dieterle. Und wer bis anhin gedacht hat: Der arme Junge, so ganz allein so weit weg von zu Hause, der sei an dieser Stelle beruhigt, denn er fährt fort: «Meine Freundin ist schon ein Bisschen früher hergezogen und hat bereits einige Kontakte geknüpft ...» Freundin? In der Tat. Und so klärt sich dann auch auf, wieso es Florian Dieterle ausgerechnet nach Singapur verschlagen hat: «Wir haben gemeinsam überlegt, welche Stadt für uns sprach- und jobmässig in Frage kommt.» Die Wahl der Beiden fiel auf Singapur, wo Dieterle seinem Ingenieurberuf nachgehen kann, während seine Freundin in der Tourismusbranche arbeitet.
So scheint die Gefahr von akutem Heimweh nicht gar so gross zu sein. «Es könnte mir vielleicht schon passieren, dass ich in einer Krise versucht bin zu denken: In der Schweiz wäre doch alles besser», meint Dieterle. Damals in Tokio habe er das auch schon erlebt. Und ganz so leicht wie bei den letzten Reisen ist ihm der Abschied von der Schweiz doch nicht gefallen. «Es ist schon etwas anderes, wenn man an einem Ort so ziemlich alles aufgibt und nicht weiss, wann man die dagebliebenen Freunde das nächste mal wiedersieht.» Und so locker lässt man offenbar auch nicht einfach alles hinter sich, ausser ein paar persönlichen Gegenständen und Fotoalben, und beginnt in neues Leben. «Es ist ein Anpassungsprozess, der nicht immer nur leicht fällt. Und ab und zu macht sich schon ein gewisser Kulturschock bemerkbar.»
«Ich würde es nicht verneinen», antwortet Florian Dieterle auf die Frage, ob er es für sich für möglich halte, in Singapur sesshaft zu werden. «Es lässt sich relativ gut hier leben. Für mich wäre allerdings Bedingung, dass ich mich inmitten der verschiedenen Kulturen wohl fühlen kann. Sonst besteht die Gefahr, ausschliesslich unter Westlern zu landen. Obwohl es sich selbst dann leben liesse: Es gibt einen Swiss-Club, wo man jedes Wochenende Rösti essen kann. Und gerade in Zeiten, wo man vielleicht ein bisschen Heimweh hat, läuft man schon Gefahr, sich nur noch dort aufhalten zu wollen.»