Samstag, 7. August 2010

Drachenboot

Einer Legende nach erinnert das Drachenbootfest an den Versuch, den chinesischen Nationaldichter Qu Yuan vor mehr als 2000 Jahren vor dem Ertrinken zu retten. Er ertrank dann aber doch und vielleicht war das Fest anfangs etwas trauriges.
Seit 1976 gibts das Drachenbootfestival wieder in Hong Kong und wurde so zum modernen Wettkampfsport.

Der Drachenkopf (Fotos M. Jentsch und W. Tan):



Das Drachenboot ist ein Stechpaddelboot, das die stilisierte Form eines Drachens imitiert mit einem Drachenkopf und -schwanz. Zuerst fasst man mit dem nach vorne gerichteten Paddel Wasser, wodurch das ganze Boot etwas aus dem Wasser gehoben wird. Dann zieht man das Paddel mit dem ganzen Körper nach hinten, die Arme sind dabei nahezu steif, die Füsse drücken gegen das Boot und der Oberkörper rotiert nach hinten.

Die Synchronisation von allen Paddlern ist entscheidend damit der Vortrieb geschieht während das Boot etwas aus dem Wasser steigt. Falls kein Trommler im Boot ist (v.a. im Training), geben die vordersten Paddler den Schlagrythmus vor. Schnellere Schlagzahlen sind grundsätzlich technisch anspruchsvoller, dabei kann aber mehr Kraft übertragen werden.

Im untenstehenden Video bin ich in einem 10er Boot mit meinen Arbeitskollegen und wir rudern einen 300m Sprint.



Unser Firmenteam nahm auch an den ersten Drachenbootrennen teil über die Distanzen 300m und 800m.



Unten das Schlussbild, mein Boot (Nr.4) konnte Nr.5 nicht mehr aufholen trotz sehr hoher Schlagzahl.

Montag, 12. Juli 2010

Durian - die Königin der Früchte

Bevor das erste Stück Durian zwischen meine Lippen durchflutschte, war die Durian nicht eine Frucht, sondern viel mehr eine Legende für mich.

In Südostasien gibts an vielen ungewöhnlichen Orten Verbotsschilder, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, Hotels und anderen geschlossenen Räumen. Darum ist diese Frucht mehr im Bewusstsein als tatsächlich im Mund. Und wenn sie auf der Zunge ist, dann wohl weil jemand gerade über ihren grässlichen Geruch schimpft...



So hatte meine erste Durian etwas bedeutungsschwangeres, abenteuerliches in sich. So etwa wie die erste Zigarette im Kreise von paar Lausbuben. Am Tatort waren ein heisser Duriankönig und ein Duzend Durian-"tolerierer".



Die Durian ist stachlig und etwa so gross wie der Kopf eines durchschnittlichen SVP-Parteimitglieds. Sie wächst am Zibetbaum der duzende Meter hoch sein kann und fällt runter, wenn sie reif ist. Innerhalb der nächsten zwei Tage öffnet sie sich dann und beginnt stark zu riechen nach, sagen wir, verfaulten Zwiebeln. So stark, dass man sie selbst im Freien von einiger Distanz aus riechen kann, in geschlossenen Räumen bringt man den Geruch fast nicht mehr raus. Wenn man die richtig verschliesst und mehrfach verschweisst kann man sie aber auch ins Flugzeug schmuggeln. Aber einfach ists nicht. Ist ja klar, eine Königin kann man nicht mal eben schnell so in den Koffer stecken, ohne dass sie schreit...



Wenn man die Durian öffnet, gibt es mehrere Abteile, aus denen man ein weiches Stück mit einem Kern rausziehen kann. Wenn man das Stück dann in den Mund führt, hat schleckt man wie an einem Mandel- oder Vanillepudding, der Geschmack wird aber komplexer, rauchiger, crèmiger mit der Zeit, kippt zu Weichkäse und kommt wieder zurück zu gebratenen Zwiebeln. Ein Aroma, das jeden Bordeaux übertreffen könnte. Wenn ich nicht schon genug hätte nach dem ersten Stück...
Alles stinkt danach, die Hände, der Atem; der Bauch nimmts nicht ganz leicht mit der Verdauung und denkt: "Verdammt, die Königin ist stärker als ich!".

Montag, 7. Juni 2010

Malaysien als Reise

Da der Transfer nach Malaysien sehr einfach ist (kleine Fähren, Brücken, kein Visum), kann man gut übers Wochenende von Singapur reisen.
Der Löwenanteil des Verkehrs zwischen den Staaten geht über den Causeway, eine Brücke über die Seestrasse von Singapur nach Johor Bahru im Süden Malazsiens. Auch Grenzgänger benutzen diesen Weg, wohl mit der Motivation des unterschiedlichen Preisniveaus. Auch Wochenend-Hardcore-Shopper nehmen dieselben Strapazen (Staus vor der Immigration) auf sich.

Johor Bahru



Eine kleine Fähre geht auch von Changi Village (nahe von mir). Eine Stunde mit dem Holzfloss unten, und man ist an der ruhigen Küste mit einigen Fischerdörfchen, Meeresfrüchten und Velofahrern.



Das wahnsinnige aber sind die kleinen Inseln an der Ostküste. Ich war auf Pulau Redang, im Nordosten. Eine kleine Inseln mit einigen Bungalow-Resorts, viel Wald und einem traumhaften Strand. Ein paar Schritte ins glasklare Wasser und schon schwimmen einem die Fische um die Füsse. Weiter aussen, gibts Korallen. Noch weiter aussen gibts Boote und Fähren. Doch die Fähre ging kaputt auf meinem Rückweg und wir mussten auf eine Neue warten, schaukelnd.
Die Insel sieht dann so aus:



Die (zweite) Fähre legte dann in Kuala Terangganu an, von wo wir mit dem Mietauto durch die Landschaft trödelten. Eine schöne Küste, Wasserfälle und einen riesigen Stausee gibts da.

Montag, 31. Mai 2010

Malaysien als Geschichte

Malaysien ist nicht nur geografisch, sondern auch geschichtlich sehr nahe mit Singapur verbunden.

Beide waren zusammen unter britischer Herrschaft, bevor diese durch die (noch härtere)japanische abgelöst wurde. Beide zusammen wurden 1963 unabhängig und in die Malaysische Föderation entlassen, wo Singapur aber nach zwei Jahren schon wieder ausgeschlossen wurde und seine Unabhängigkeit erklärte.

Während Malaysien weiter innere Konflikte austrug musste Singapur nun seinen eigenen Weg suchen, geprägt durch Mangel an Platz, Arbeitsplätzen, Rohstoffen, Verbündeten, ethn. Homogenität... Über diesen beispiellosen Weg Singapurs als Stadtstaat zu schreiben, werde ich bestimmt später noch Gelegenheit finden. Bestimmt kann man Singapur heute nicht mehr als Teil von Malaysien bezeichnen. Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind sehr unterschiedlich.
Malaysien als rohstoffreiches Land ging einen traditionellen Weg als Monarchie, stark muslimisch geprägt und dadurch auch durch viele Konflikte mit der Chinesischen Minderheit geprägt.

[Bild] Blitz über Kuala Lumpur

Montag, 26. April 2010

Esplanade und die Doppelhelix

The Esplanades ist eine Flaniermeile an der Marina Bay im Süden Singapurs. Rundherum gibts Theather, Oper, feine Restaurants (für Chili Crab und Okonomiaki) und Sicht auf die Bucht und ihre neuen Bauten.

The Esplanades

Freilichtbühne mit Koreanischen Trommlern


Skyline um Clarke Quay mit Hotel und Bankgebäuden

In dieser Region wird sehr viel und sehr extravagant gebaut. Die U-Bahnstation ist erst einige Tage offen und rundherum entstehen neue Gebäude. Als Link zwischen ihnen wurde dieses Wochenende die Doppelhelix eröffnet, eine Fussgängerbrücke über die Bucht. Es gab eine riesige Menschenansammlung, denen eine Show geboten wurde und die dann schlussendlich am Abend die Brücke überqueren konnten. Beim näher kommen, war ich ziemlich fasziniert von der Brücke.
Die Verarbeitung aller Verbindungen dieser Edelstahlkonstruktion erstaunt. Sehr schön gemacht, organisch. Und doch kann uns die Struktur der Helix auch daran erinnern, dass die Baukunst vielleicht nur eine Kopie der Natur versucht. In der Nachahmung ist sie stets unvollendet, und doch eifrig, von ihrem Vorbild der Natur zu lernen.

Treten sie näher...

Donnerstag, 25. März 2010

Auf unbestimmte Zeit in Singapur

Ich lebe nun seit bald drei Monaten in Singapur und werde an dieser Stelle immer wieder kleine Dinge aus meinem Alltag schildern.
In der Zwischenzeit erschien ein kleines Portät von mir in der Schaffhauser "Arbeiter Zeitung", gegründet als Sprachrohr des Generalstreiks 1918, heute eine lokale Wochenzeitung die politisch links Stellung bezieht. Naja, ich habe tendenziell eher einen linken Hintergrund, doch in meiner heutigen Situation eher Symbol der Globalisierten (Arbeits-)welt. In einem gewissen Sinne bringe ich jedenfalls Know-how nach Asien, wo es dringend benötigt wird. Die sich entwickelnden Volkswirschaften Ostasiens haben ein grosses Bedürfnis nach Infrastrukturbauten. Der Bauingenieur kommt!

Ich kopiere unten also das Porträt hinein (freundlich genehmigt), empfehle jedoch die PDF Version unter Seite1 und Seite2 zu finden.



Schon ein gewisser Kulturschock

Den Schaffhauser Florian Dieterle hat es nach seinem Bauingenieurstudium nach Singapur verschlagen. Dort arbeitet er im für ganz Asien zuständigen Planungsbüro einer Schweizer Firma.

Von Susi Stühlinger.
Die Verbindung steht. Florian Dieterle lacht aus dem Bildschirm, die halbe Redaktion starrt ihm, angelockt durch die Wunder der modernen Kommunikationstechnik entgegen. Es ist das erste «az»-Interview, das via «Skype» geführt wird. Bei ihm stehen die Uhrzeiger auf kurz vor neun Uhr abends und das Thermometer bei knapp 30 Grad Celius, während hier das Mittagessen grade erst im Magen angekommen ist und es draussen nicht aufhören will, zu schneien. Seit einem Monat weilt Florian Dieterle in Singapur. Dort hat der Bauingenieur, der in Stein am Rhein aufwuchs und im vergangenen Jahr sein ETH-Studium abschloss, seine erste Stelle angetreten.
«Jaja», antwortet er auf die Frage, ob er sich bereits einigermassen eingelebt habe. Das klingt reichlich nonchalant, wird jedoch verständlich, wenn man weiss, dass dies nicht sein erster Auslandaufenthalt ist, weilte er doch bereits für ein Berufspraktikum in Kasachstan und für sein letztes Studienjahr in Tokio. Dennoch ist diesmal etwas anders, denn: Der Aufenthalt in Singapur ist unbefristet. Ein paar Jahre wolle er schon bleiben, so der 25-Jährige, ganz genau weiss er es jetzt noch nicht. «Vertraglich bin ich verpflichtet, mindestens ein Jahr zu bleiben. Aber wenn ich mich erst gerade so richtig an alles gewöhnt habe, gleich wieder woanders hinzugehen, wäre ja auch unsinnig.»
Florian Dieterle arbeitet bei einer international tätigen Schweizer Baufirma, die sich auf Brücken spezialisiert hat. Vierzig Mitarbeiter beschäftigt der Standort Singapur, gut die Hälfte arbeitet an lokalen Projekten. Die andere Abteilung, welcher auch Florian Dieterle angehört, nennt sich «technisches Zentrum Asien» und ist für Planungsarbeiten zuständig: Etwa 15 Brücken erstelle die Firma gegenwärtig in Asien und Australien, erzählt der Bauingenieur. «Meine Aufgabe ist es, Brücken im Bauzustand mittels Statikberechnungen zu analysieren.» Seine Mitarbeiter stammen aus Singapur, China, Indien. Die Zusammenarbeit mit ihnen sei unproblematisch, so Dieterle, auch wenn er sich erst noch ein bisschen in der Gruppe zurechtfinden müsse. «Schweizer werden erfahrungsgemäss gut aufgenommen, wenn Vorurteile existieren, dann meist positive.» Dass er auf Angestelltenebene in seiner Abteilung der einzige Schweizer ist, erklärt er folgendermassen: «Die Schweizer beginnen ihre Karriere in der Regel zu Hause und werden dann irgendwann als Kaderleute ins Ausland geschickt.» Er hingegen hat sich, nach einem ersten Assessment in der Schweiz, gleich direkt in Singapur vorgestellt und dort den Vertrag unterschrieben. Das war Ende November letzten Jahres. Mittlerweile hat er eine Wohnung bezogen, die er selber suchen musste. «Das ging via Internet und ist bei der hohen Fluktuation hier relativ einfach». Während die Firma den in der Schweiz eingestellten Mitarbeitern Wohnungs- und Reisekosten erstattet, müsse er selber für diese aufkommen, so Dieterle. Allerdings erhalte er von der Firma dafür einen Zustupf.
Aber wieso wollte er denn überhaupt in Asien arbeiten? Einerseits sei die Infrastruktur in Europa schon sehr gut ausgebaut und darum werden relativ wenig Riesenprojekte wie Brücken mit Grossspannweiten neu gebaut. Im sich stark entwickelnden Süd- und Ostasien sei der Bedarf nach solchen Grossprojekten akut. „Andererseits möchte ich auch das hochentwickelte Ingenieur-know-how in die Welt tragen. Dorthin, wo ich denke dass es am meisten gebraucht wird. Dort warten auch die spannendsten Aufgaben auf mich.„

Sein Arbeitstag dauert acht Stunden. Am Morgen holt ein Bus ihn zu Hause ab und fährt ihn nach der Arbeit auch wieder zurück.
Dann bleibt Florian Dieterle Zeit, den Stadtstaat besser kennenzulernen. Speziell findet er vor allem den Mix aus drei Kulturen. «Es gibt viele Chinesen, Inder und Malaien. Obwohl sie oft die Staatsbürgerschaft haben, sehen sie sich nicht in erster Linie als Singapurer, sondern fühlen sich zu ihrer Ethnie zugehörig.» So sehe man in einem Stadtteil viele indische Geschäfte und Tempel, während man anderswo besonders gut Chinesisch essen könne. Und trotz der exotischen Atmosphäre, muss er in Singapur nicht auf westlichen Lebensstil verzichten. «Das Transportsystem ist super, die Räume überall klimatisiert. Verglichen mit anderen Orten in Südostasien ist es ziemlich angenehm und nicht gerade voll das Abenteuer.» Dennoch gibt es sie, die kleinen Unterschiede: «Viele der Geschäfte sind 24 Stunden geöffnet, wenn du plötzlich in der Nacht aufwachst, könntest dir im Laden schnell ein Bier holen.» Ein anderes kleines Beispiel sei die Abfalltrennung. «Da wird einfach alles in einen Sack geschmissen, die Trennung dann im Nachhinein von Hand und mit speziellen Maschinen vorgenommen.»
Was die Insel am untersten Zipfel von Malaysia an Freizeitbeschäftigungen biete, finde er gerade heraus, meint Florian Dieterle: «Es gibt viele Parks, wo ich auch schon Joggen oder Velofahren war.» Allgemein erfreuten sich Wassersportarten, auch ziemlich verrückte, wie etwa Wasserski grosser Beliebtheit bei der Bevölkerung. «Es gibt auch Badestrände, aber die sind nicht gerade schön: Den ganzen Tag fahren riesige Frachtschiffe hin und her, das Wasser ist alles andere als sauber.» Da zieht Florian Dieterle es vor, einen der zahlreichen, in der ganzen Stadt verteilten Swimming Pools zu besuchen, die für umgerechnet etwa einen Franken zugänglich sind.
Er versuche, sich jetzt langsam einen Bekanntenkreis aufzubauen, sagt Florian Dieterle. Und wer bis anhin gedacht hat: Der arme Junge, so ganz allein so weit weg von zu Hause, der sei an dieser Stelle beruhigt, denn er fährt fort: «Meine Freundin ist schon ein Bisschen früher hergezogen und hat bereits einige Kontakte geknüpft ...» Freundin? In der Tat. Und so klärt sich dann auch auf, wieso es Florian Dieterle ausgerechnet nach Singapur verschlagen hat: «Wir haben gemeinsam überlegt, welche Stadt für uns sprach- und jobmässig in Frage kommt.» Die Wahl der Beiden fiel auf Singapur, wo Dieterle seinem Ingenieurberuf nachgehen kann, während seine Freundin in der Tourismusbranche arbeitet.
So scheint die Gefahr von akutem Heimweh nicht gar so gross zu sein. «Es könnte mir vielleicht schon passieren, dass ich in einer Krise versucht bin zu denken: In der Schweiz wäre doch alles besser», meint Dieterle. Damals in Tokio habe er das auch schon erlebt. Und ganz so leicht wie bei den letzten Reisen ist ihm der Abschied von der Schweiz doch nicht gefallen. «Es ist schon etwas anderes, wenn man an einem Ort so ziemlich alles aufgibt und nicht weiss, wann man die dagebliebenen Freunde das nächste mal wiedersieht.» Und so locker lässt man offenbar auch nicht einfach alles hinter sich, ausser ein paar persönlichen Gegenständen und Fotoalben, und beginnt in neues Leben. «Es ist ein Anpassungsprozess, der nicht immer nur leicht fällt. Und ab und zu macht sich schon ein gewisser Kulturschock bemerkbar.»
«Ich würde es nicht verneinen», antwortet Florian Dieterle auf die Frage, ob er es für sich für möglich halte, in Singapur sesshaft zu werden. «Es lässt sich relativ gut hier leben. Für mich wäre allerdings Bedingung, dass ich mich inmitten der verschiedenen Kulturen wohl fühlen kann. Sonst besteht die Gefahr, ausschliesslich unter Westlern zu landen. Obwohl es sich selbst dann leben liesse: Es gibt einen Swiss-Club, wo man jedes Wochenende Rösti essen kann. Und gerade in Zeiten, wo man vielleicht ein bisschen Heimweh hat, läuft man schon Gefahr, sich nur noch dort aufhalten zu wollen.»

Samstag, 6. März 2010

Artikel Schaffhauser Nachrichten

Folgender Artikel über meine Diplomarbeit an der Uni Tokio wurde kurz vor Weihnachten 2009 in der Reihe Schaffhauser Forscher der Schaffhauser Nachrichten veröffentlicht. Das Originallayout ist als .pdf mit einem Klick hier zu erreichen. Untenstehend ist der Text hineinkopiert.

Wenn der Boden unter den Füssen zerfliesst



Handwerk des Bauingenieurs
Das eigentliche Handwerk des Bauingenieurs ist der rechnerische Nachweis der Gebrauchstauglichkeit (Verformungen) und Tragsicherheit (Spannungen) eines Bauwerkes. Für diesen Nachweis wird die Einwirkung auf das Tragwerk mit seinem Widerstand an den kritischen Stellen verglichen. Wenn die rechnerische Einwirkung grösser ist als der Widerstand, müssen konstruktive Massnahmen des Tragwerksentwurfs ergriffen werden. Mögliche Einwirkungen sind Eigengewicht des Baumaterials, Wind-, Schnee-, Nutzlasten, Feuer oder Erdbeben. Da man die Grösse der Lasten - die in Zukunft auftreten werden - nicht genau kennt, werden sie statistisch ermittelt aufgrund der Daten aus der Vergangenheit.
Der Widerstand andererseits wird aus physikalischen Modellen und Materialeigenschaften ermittelt. Letztere werden aus Materialtests im Labor und z.T. auch auf der Baustelle bestimmt. Dabei können sich die Materialeigenschaften selbst unter der Belastung verändern, wie dies beim Phänomen Bodenverflüssigung sehr ausgeprägt auftritt, welches im Folgenden beschrieben wird.

Phänomen Bodenverflüssigung
Boden (sog. Lockergestein im Gegensatz zu Fels als Festgestein) besteht aus einzelnen Körnern verschiedener Grösse, deren Zwischenräume mit Luft und Wasser gefüllt sind. Das Gesamtverhalten wird dabei bestimmt durch die Dichte der Lagerung, Form und Grösse der Körner und die Art der Lasttaufbringung. Die Last wird dabei einzig durch den direkten Kontakt zwischen den einzelnen Körnern übertragen, wodurch diese Kontaktkräfte Schlüssel zum Verständnis des Bodenverhaltens werden.
Wenn locker gelagerter, mit Wasser gesättigter Sand sehr schnell verdichtet wird (wie z.B. bei einem Erdbeben), hat das Wasser in seinen Zwischenräumen nicht genügend Zeit, an die Oberfläche zu entweichen. Dadurch entsteht ein sehr grosser Wasserdruck, der die Sandkörner aufschwimmen lässt wodurch sich das Bodengemisch wie eine hochviskose Flüssigkeit verhält. Dieses Phänomen wird Bodenverflüssigung genannt und kann ganze Dämme zerstören, Stützwände verschieben oder Häuser umkippen lassen.
Bodenverflüssigung tritt in Japan aus zwei Gründen speziell oft auf. Erstens da die Erdbebenintensität an der tektonischen Grenze der Eurasischen, Nordamerikanischen und Philippinischen Platte sehr hoch ist. Zweitens weil viele lockere Sanddeponien in Küstennähe bestehen durch Aufschüttungen von künstlichen Inseln aus Platzmangel.

Austausch nach Tokio

Mein spezielles Interesse im Erdbebeningenieurwesen liess mich über einen Aufenthalt an einer Gastuniversität Japan nachdenken, wo dieses Fachgebiet durch die grosse Erdbebengefährdung sehr weit entwickelt ist. Durch ein akademisches Mobilitätsprogramm erhielt ich dann die Möglichkeit, mein letztes Studienjahr und damit auch meine Diplomarbeit an der renommierten Universität Tokio (jap. Tokio Daigaku) zu absolvieren. Betreut wurde die Arbeit von Professor Puzrin von der ETH und Professor Towhata von Tokio, womit ich stets zwei Meinungen hatte aus zwei Fachgebieten, zwei Bildungssystemen und zwei Kulturen.



Rütteltischversuche Untersuchungen von Erdbebenphänomenen im Labor
Erdbebenphänomene können durch Experimente einerseits und durch Computersimulationen andererseits systematisch untersucht werden. Im Rahmen meiner Diplomarbeit an der Universität Tokio befasste ich mich mit der Vermeidung von grossen Verformungen von verflüssigtem Boden durch Baugrundverbesserungen mit Zementsäulen. Letztere werden durch Mischen von Zement mit dem vorhandenen Bodenmaterial zu einer festen Säule gemacht. Der sich verflüssigende Boden muss so um diese Säulen herum fliessen, was die Bewegung stark reduziert. Fragestellung war, wie steif die Säulen tatsächlich sein und in was für einem Raster sie angeordnet werden sollen.
In Modellexperimenten auf dem Rütteltisch (siehe Bilder unten) wurden die Einflussparameter der Säulen auf das Ausmass der Bodenverflüssigung und das Ausmass der Verformungen. Diese beiden Grössen stehen bemerkenswerterweise nicht in direktem Zusammenhang, da die hohen Wasserdrücke bei weichen Strukturen besser entweichen kann. Diese Experimente wurden in einem Massstab von 1:10 durchgeführt, damit die Modelle überhaupt auf dem Rütteltisch Platz fanden. Die Massstabseffekte sind stets ausführlich zu prüfen; im vorliegenden Fall sind die Kräfte aus Eigengewicht sehr klein, da das Modell viel weniger hoch ist.

In einem zweitem Schritt wurde ein Computermodell durch die vorangehenden Experimente kalibriert und verschiedene Anordnungen der Zementsäulen im Detail verglichen. Die Computerberechnungen basierten auf Fluiddynamik und nicht auf Festkörpermechanik, was auf dieses Problem angewandt ein neuer Ansatz ist. Da das Computermodell beliebig skaliert werden konnte, wurde der Massstabseffekt hier nochmals überprüft.
Aus diesen Untersuchungen konnte gefolgert werden, dass die Eigensteifigkeit der Säulen ein Schlüsselparameter für das Gesamtverhalten des Bodens ist und dass eine zufällige, chaotische Anordnung besser ist als in geraden Reihen, da der Boden dann keine geraden Fliesskanäle hat.

Dieses Forschungsprojekt wird in Zusammenarbeit mit der Privatindustrie weitergeführt, um konkrete Empfehlungen für die Baugrundverbesserungen in der Baupraxis zu entwickeln.