Dienstag, 6. Oktober 2009

Studienbericht über meinen akademischen Austausch als Bauingenieur an „The University of Tokyo“ 2009

Liebe Leser
Mein toller Studienaufenthalt und damit auch mein Studium sind beendet. Ich habe dazu einen Studienbericht für die Mobilitätstelle geschrieben und um ihn einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, poste ich ihn hier im Blog. Der Detaillierungsgrad ist allerdings v.a. für Studenten gedacht, die ebenfalls einen solchen akademischen Austausch erwägen.
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Studiengang: Bauingenieurwissenschaften MSc ETH Zürich
Gasthochschule: The University of Tokyo, Tokyo Daigaku
Aufenthaltsdauer: von Okt. 08 bis Aug. 09 (9.&10. Semester)
Art der Studien: Master Vorlesungen, Projektarbeit, Masterarbeit


Vorbereitungen:
Ich entschied im Januar 2008 mich für ein Austauschsemester an der Universität Tokio (Todai) zu bewerben, mit der die ETH ein bilaterales Abkommen unterhält. Im Vordergrund stand für mich das Leben in einer fremden Kultur, aber auch das Kennenlernen des Unilebens dort. Japan ist führend im Erdbebenwesen und die Universität Tokio ist die renommierteste Universität in Japan, wohl in Asien überhaupt. Die Bewerbung nach Tokio war anfangs eher aus spontaner Neugierde, stellte sich später aber als sehr gut heraus und ich bereute diese Entscheidung nie.
Als ich die Zusage von der Mobilitätsstelle erhielt, konnte ich über Prof. Puzrin (ETH) den Kontakt zu Prof. Towhata (Todai) knüpfen, der eine Gruppe im Geotechnischen Erdbebenwesen führt und sich einverstanden erklärte, meine Projektarbeit (Semesterarbeit) zu betreuen.

Ankunft:
Ich reiste schon einen Monat vor Semesterbeginn an, da dieses gegenüber der Schweiz verspätet beginnt und ich mir einige Zeit für die Akklimatisation und die Erkundung der Inseln erlauben wollte. In dieser Zeit reiste ich mit dem Zug durch die Hauptinsel und hatte erste Berührungen mit Japanischer Sprache und Kultur. Ich war sehr neugierig diese Menschen kennen zu lernen. Ihre Schriftzeichen schienen mir wie abstrakte Zeichnungen, ihre Körpersprache oft missverständlich. Doch nie mangelte es an Hilfsbereitschaft, obwohl der Umgang mit Fremden sehr zurückhaltend ist. Wenn man sich aber auf sie einlässt und den Kontakt mit dem nötigen Feingefühl sucht, fühlt man sich bald geborgen in Japan.

Ausländische Studenten:
Da die Todai als die beste Universität Asiens gilt, kommen viele Studenten aus Asien für einen Studienabschluss hierher. Sie erhalten ein Stipendium (meist von der japanischen Regierung) und kehren nach dem Studium oft zurück in ihr Ursprungsland, wodurch ein Wissenstransfer geschehen kann. Viele von ihnen kommen aus China, Korea, Vietnam, Pakistan, Indien oder den Philippinen. Auch aus Südamerika (v.a. Kolumbien) kommen einige. Diese Studenten haben einen so starken Selektionsprozess hinter sich, dass sie sehr motiviert sind hier zu studieren und die Entwicklung ihres Landes voranzutreiben.
Die Studenten aus Europa sind oft als Austauschstudenten hier für ein bis zwei Semester und suchen nicht nur die akademische, sondern auch die kulturelle Erfahrung. V.a. Das Bauwesen (Architektur, Bauingenieurwesen) und Robotik sind sehr beliebt und dadurch auch internationaler (sprich englischsprachiger).
Da all diese Studenten in ähnlicher Lage sind und neue Bekanntschaften suchen, findet man einfach gleichgesinnte an den Studentenpartys, die zu Semesterbeginn sehr zahlreich sind.

Tutorat:
Mir wurde eine Studentin als Tutorin zugeteilt, die mir im Alltagsleben behilflich war, da anfangs selbst kleine Dinge unverständlich erscheinen. Viele Formulare müssen ausgefüllt werden, alles (bis zum Fahrrad) muss registriert werden. Sie half mir auch die Vorlesungen zu planen und die Zimmereinrichtung einzukaufen. Auch das Office of International Students (OICE) der School of Engineering und die Foreign Students Organisation (FSO) des Bauingenieurdepartementes sind sehr hilfsbereit bei akademischen sowie alltäglichen Fragen.

Wohnen:
Ich erhielt ein Zimmer in einem Studentenheim auf dem Komaba Campus. Das Zimmer ist sehr klein (rund 12 m2), beinhaltet aber eigentlich alles Nötige. Ein Raum mit ausklappbarem Bett, eine Wohnwand mit integriertem Tisch, Lampen, Kühlschrank, Herdplatte und einer kleinen Dusch/WC Kabine. Geschirr, Bettzeug usw. Muss selbst eingekauft werden, ev. Kann es aber von einem ausziehenden Studenten übernommen werden.
Der Balkon bietet wunderbare Aussicht auf den naheliegenden und sehr lebhaften Stadtteil Shibuya. Ich kann das Wohnheim „Komaba International Lodge“ empfehlen bei der Angabe der Prioritäten. Wem ein grosszügigeres, schöneres Zimmer wichtiger ist als die Lage und der Preis, der kann sich auch in „Odaiba“ bewerben, das jedoch ziemlich abseits vom zentralen und lebhaften Teil Tokyos befindet, aber eine sehr gute Infrastruktur für Studenten unterhält.

Exkurs über Japans Bildungssystem:
Japan ist sehr leistungsorientiert und Bildung hat einen nicht überschatzbaren Stellenwert. Die Kinder werden schon früh in ausgewählte Schulen geschickt, danach am Abend noch zusätzliche Nachhilfe, denn je besser die Schule, desto grösser die Chance, später die Aufnahmeprüfung an eine angesehene Universität zu bestehen. Wurde das Kind dort mal aufgenommen, können die Studenten zum ersten Mal Durchschnaufen nach gut einem Jahrzehnt konstantem Bildungsdruck. Da die Aufnahmeprüfungen so kompetitiv sind, hat kaum noch jemand Probleme seinen Abschluss zu kriegen. Das Klima an den Unis ist darum relativ entspannt, das Studium steht oft nicht in direktem Bezug zum späteren Beruf. Hauptsächlich der Name der Uni bestimmt die Jobaussichten und wirklich auf den Job trainiert wird man erst in der Firma selbst, für die man meist sehr lange tätig sein wird. Hauptsächlich möchten die japanischen Firmen einfach intelligente Studenten; das Fachgebiet ist dabei zweitrangig.

Universität Tokio:
Die Todai ist unbestritten die Nummer Eins und darum ist das Niveau der Studenten hoch. Von vielen der Abgänger wird erwartet später Führungsrollen in der Forschung zu bekleiden, darum sind die Studiengänge auch sehr forschunsorientiert. Der Hauptteil des Bachelor- und Masterstudiums besteht aus je einer Abschlussarbeit. Die Vorlesungen machen im Gegensatz zur ETH nur einen kleinen Teil aus. Während dem zweijährigen Masterstudium müssen 10 Vorlesungen besucht werden (im Vergleich zu gut 20 Vorlesungen an der ETH).
Bei der Studentenbetreuung gibt es keine Zwischenstufe von betreuenden Assistenten, im Gegensatz zum Mittelbau an der ETH. Als Masterstudent wird man etwa gleich behandelt wie Doktoranden, man erhält einen Forschungsauftrag und über den diskutiert man dann direkt mit dem Professor. Grundsätzlich ist ein ordentlicher Professor der Leiter des Labs. Alle andern vom Assistenzprofessor bis zum Bachelorstudenten sind fast auf gleicher Hierarchie. Niemand entscheidet über den Andern, abgesehen vom Professor.

Lab:
Sobald man von der Universität angenommen wird, wird man der Gruppe des betreuenden Professors zugeteilt, dem sogenannten Lab (Laboratory). Als Student ist man viel mehr im Lab eingebunden als im Studienjahrgang, da man im Lab einen Arbeitsplatz bekommt, wöchentlich ein Seminar hat und auch sonstige Aktivitäten macht. Einige Studenten wohnen fast im Lab, sprich sie essen dort und wenn sie sich viel Arbeit angesammelt haben, schlafen sie auch mal auf der Couch im Lab.
Alle im Lab kümmern sich sehr um ihre Mitstudenten. Die Beziehung zum betreuenden Professor ist ähnlich wie zwischen Doktoranden zu ihren Professoren an der ETH. Man geht ev. auch zusammen auf Ausflüge/Baustellenbesuche und Konferenzen.
Mit den restlichen Professoren hat man nur wenig Kontakt.

Projektarbeit:
Da die Todai sehr forschungsorientiert ist und man selbstständige Arbeiten erledigen soll, ist der Austausch am einfachsten, wenn man das Forschungsprojekt an der ETH als Arbeit anrechnen kann, z.B. Als Projektarbeit oder Masterarbeit. Bei einem Austausch im Bachelorstudium müssten man Mastervorlesungen besuchen, da die Bachelorvorlesungen in Japanisch gehalten werden.

Vorlesungen:
Die Vorlesungsqualität am Bauingenieurdepartement ist durchaus vergleichbar mit der ETH. Es wird viel Konzeptionelles gelehrt, Erdbebenwesen und Numerische Methoden haben einen relativ hohen Stellenwert. Baunormen sind nicht Inhalt des Studienplans, da diese in der Firma selbst gelehrt werden. In andern Departementen ists z.T. Deutlich schwieriger ohne Japanisch Kenntnisse.
Die ersten paar Wochen wurden sehr gemächlich angegangen, da es v.a. im Herbst viele ausländische Studenten gibt, die sich zuerst angewöhnen müssen. Die Vorlesungen werden gegen Semesterende z.T. aufwändig, da bewertete Übungen gelöst werden müssen. Diese Übungen sind anspruchsvoll, v.a. die Numerischen Simulationen. Manche Professoren machen Prüfungen, die den Übungen sehr ähnlich sind.
Ich habe pro Vorlesung drei Kreditpunkte erhalten und habe fünf Vorlesungen besucht, was auch die regulären Studenten machen. Zusammen mit der Projektarbeit (9 KP) hatte ich also 27 KP erhalten, da der Japanischkurs auch dazuzählte. Dies kann ich weiterempfehlen, obwohl am Semesterende ziemlich viel zusammen kommen könnte.

Japanische Sprache:
Es empfiehlt sich natürlich, schon in der Schweiz zu beginnen mit dem erlernen der Japanischen Sprache. Die Sprache ist indogermanischen Sprachen sehr fremd, einerseits durch die Art wie Sätze gebildet werden. Während die Aussprache relativ unproblematisch ist, sind Lesen und Schreiben der chinesischen Schriftzeichen, die durch zwei Silbenalphabete ergänzt werden, sehr schwierig. Wenn man nicht sehr viel Zeit für Sprachkurse aufwendet, kann man nach einem Jahr immer noch nur beschränkt kommunizieren. Die wichtigsten Sätze fürs tägliche Leben sind aber einfach zu erlernen.
An der Todai existiert ein sehr breites Angebot von Japanisch Kursen, die meisten davon sind mehrmals die Woche ca. 1.5h. Das Lernklima ist v.a. In den Anfängerkursen spassorientiert, da prioritär Freude an der Japanischen Sprache geweckt werden soll und die Grundlagen fürs tägliche Leben erarbeiten soll. Dazu gehört auch das Verständnis der Japanischen Traditionen, sodass man auch mal eine Lektion beim Teetrinken oder beim Klatschen im Tempel verbringt. Obwohl der Zeitaufwand gross erscheint, empfehle ich Kurse zu besuchen. Ich wählte den Anfängerkurs J1 der „School of Engineering“, der mir viel Spass bereitet hat. Die Lehrerinnen sprechen relativ gut Englisch und erklären ihre eigene Kultur mit einem Augenzwinkern.
Im Bauingenieurdepartement kommt man durchaus mit Englisch durch, da es sowieso sehr gute Japanischkenntnisse bräuchte, bevor man mit seinem Professor in Japanisch sprechen würde.

Verlängerung meiner Aktivität:
Ursprünglich plante ich nur das dritte Mastersemester (9. Semester) mit einer Projektarbeit zu machen. Das urbane Leben in Tokyo faszinierte mich und die Betreuung durch meinen Professor war sehr gut. Ein Semester scheint in einer so fremden Kultur sehr kurz und kaum fühlt man sich wohl, muss man schon wieder abreisen. Darum bewarb ich mich für ein weiteres Semester und absolvierte schliesslich auch meine Masterarbeit hier. Das Themengebiet war im Wesentlichen dasselbe, „Effekt Verminderung von Deformationen von verflüssigtem Sand“, mit Rütteltischversuchen einerseits und Numerische Fluid Dynamik andererseits.
Wenn man den ganzen Bachelor an der ETH Zürich absolviert hat, darf man gemäss Studienreglement die Hälfte der Kreditpunkte auswärts erwerben. Von dieser Regelung profitierte ich.

Kosten:
Grundsätzlich ist Japan ein teures Land. Für die meisten Produkte wird leicht mehr bezahlt als in der Schweiz. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen dass alles in den Warenhäusern von sehr hoher Qualität ist.
Essen auswärts in den kleinen Restaurants ist relativ günstig (oft günstiger als wenn man sich westliche Kost selbst kocht). Es gibt Nudeln für (400 Yen) 5 CHF, Sushi ab 1000 Yen, ein Mittagsmenue für rund 700 Yen. V.a. Fisch ist natürlich deutlich günstiger als in der Schweiz.
Der öffentliche Verkehr ist relativ teuer. Fürs pendeln mit der U-Bahn und besuchen verschiedener Teile von Tokyo braucht man mehr als 100 CHF pro Monat. Eine Einzelfahrt mit der U-Bahn kostet 2 bis 3 CHF.
Das Wohnen in den günstigsten Studentenheimen ist sehr preiswert, wenn auch bescheiden. Die Miete inkl. Nebenkosten kommt auf rund 150 CHF. Wenn man keinen Wohnheimplatz hat, zahlt man ähnliche Preise wie in der Zürich. Wohngemeinschaften sind eher unüblich, meist werden Einzelzimmer vermietet die einen eigenen Eingang haben.
Wenn man also Essen, Wohnen und Transportieren als den Hauptkostenpunkt betrachtet, kann man in Tokio als Student mit gleichem Budget wie in Zürich leben. Zählt man aber alle Freizeitaktivitäten wie Sport, Ausflüge, Ausgehen auch dazu, wird man leicht mehr Geld ausgeben.

Für den Flug kann ein Antrag für Studienbezogene Reisekosten gestellt werden bei der Erich Degen Stiftung. Da ein bilaterales Abkommen zwischen ETH und Todai besteht, muss man nur die Studienkosten an der ETH normal weiterbezahlen. An der Todai wären sie bedeutend höher für reguläre Studenten.


Mein Aufenthalt in Tokio war sehr bereichernd und ich fühlte mich hier sehr wohl. Ich kann die Todai durchaus weiterempfehlen für einen Austausch.

Sonntag, 23. August 2009

Abschiedsbeben in Tokio

Ja liebe Leser, mein bereicherndes Austauschjahr an der Universität Tokio ist zu Ende gegangen und die Erde bebte dabei.

In der Woche vor meiner Abreise ereigneten sich zwei Erdbeben der (Richter-)Magnitude 6.9 mit Epizentrum rund 100 km von Tokio entfernt. Diese Energiemenge könnte in einem Entwicklungsland grosse Zerstörung anrichten, doch die japanischen Ingenieure stellen sich schon seit langem der Gefahr und haben eine ziemlich erdbebenresistente Infrastruktur mit Frühwarnsystemen entwickelt.
In meinem Zimmer im sechsten Stockwerk begann ein vibrieren der Scheiben, dann ein spürbares Rütteln, das auch einen Lärm verursachte durch die Bewegungen der Stahlbetonwände und des Mobiliars. Obwohl die Bewegung nur klein war, hatte ich das Gefühl den Boden unter den Füssen zu verlieren, etwa wie auf einem schaukelnden Boot. Zum Schluss gabs einen Ruck so stark, dass die Olivenölflasche umkippte! (siehe Bild unten)


In Kanto (Region um Tokio) treffen vier Lithospärenplatten aufeinander. Modellhaft stellt man sich vor, das die Pazifische Platte unter die Eurasische Platte schiebt, doch diese Relativbewegung ist nicht so geschmeidig, sondern wird durch grosse Reibung behindert. Erst wenn sich genügend Energie aufgestaut hat, kann die Reibung überwunden werden und die Erde bewegt sich einige Millimeter (an bestimmten Verwerfungen sogar einige Meter), was ruckartig geschieht und ein Erdbeben verursachen kann. Aufgrund Schätzungen der aufgestauten Energie und statistischer Studien wird in Kanto ein riesiges Erdbeben erwartet in den nächsten rund 30 Jahren. Dafür werden spezielle Trainings der Bevölkerung gemacht und Prognosen versucht. In der gleichen Zeit trafen auch einige sommerliche Taifune (Wirbelstürme) auf den Süden Japans. Und man staunt, wie gut die Japaner mit ihren Naturgefahren umgehen.

Ich verliess also das heisse und feuchte Tokio mit dem Zug Richtung Shimonoseki (Westjapan), von dort mit der Fähre nach Busan (Südkorea) und bin nun in Seoul. Doch davor nochmals richtig Karaoke singen!

Sonntag, 7. Juni 2009

Blogs über Japan

Es gibt unzählige Blogs von westlich geprägten Bewohnern von Tokyo. Einige von ihnen beschreiben mit viel Feingefühl die kleinen Dinge des Alltags, die von den Japanern sehr gepflegt werden. Details, denen so viel Beachtung geschenkt wird, dass wohl manchmal auch der Überblick verloren geht. Manchmal zum Staunen, zum Schmunzeln oder gar Bewundern.
Anstatt selbst was zu schreiben, liste ich hier mal einige Favoriten auf. Teil des Bloggens ist schliesslich auch, die Leser auf weiter Quellen der Blogosphäre aufmerksam zu machen.

Eine Schweizer Familie in Tokyo:
1. Was zu Hause grün war, ist hier plötzlich rot, und umgekehrt
2. Leben im Restaurant
3. Bento, der japanische Fastfood (und auch noch den passenden Tagimagi-Artikel)
4. Verklemmtes Japan
5. Dekoden, der Handyschmuck
6. Der gelbe Blindenstreifen quer durch ganz Japan

Martin aus Karlsruhe in Tokyo:
1. Hokkaido, weit im Norden Japans
2. Konbini, der kleine Laden für alles. Und überall.
3. Manieren im öffentlichen Verkehr

Loretta aus Zürich in Kyoto:
1. Japanische Gesichter
2. Zufälligkeiten zwischen Beton und Bonsai

Sonntag, 17. Mai 2009

Mit dem Schrein durch die Gassen

Die Japaner besuchen zu verschiedenen Gelegenheiten buddhistische Tempel und shintoistische Schreine. In den Tempeln wird der Lehrer Buddha verehrt und angebetet. In den Schreinen allerdings wohnen die Gotteswesen ("Kami") selbst in animistischer Tradition, im einen der fürs Geld, die Schule oder für die Liebe.

Die tragbaren Schreine ("Mikoshi" 神輿, wörtlich: „Göttersänfte“) sind tragbare Shintō-Schreine, in denen die Kami mittels eines im Mikoshi eingelagerten Shintai reisen.
Der Mikoshi mit seinem reich verzierten Dach wird bei japanischen Volksfesten ("Matsuri") von jungen Männern und Frauen mit Hilfe zweier waagerechter Tragbalken getragen. Die Träger stemmen sich unter die Balken und tragen es mit lauten, rhythmischen Rufen durch die Straßen (klicke aufs Video).



Diese Festivals finden in verschiedenen Quartieren statt; ein sehr grossen davon ist in Kanda, im Osten Tokyo's. Einerseits bringen sie der Nachbarschaft Glück, andererseits sollen sie aber auch der Errichtung des Shogunats gedenken, das Tokyo (unter dem Namen "Edo") zur Hauptstadt machte anstatt Kyoto.

Durch eine Studentenorganisation erhielt ich die einmalige Möglichkeit, aktiv am Festival des Quartiers "Iwamoto-cho" teilzunehmen. Zuerst mussten wir uns traditionell einkleiden, von den weissen Tabi-Socken bis zum Obi-Gürtel, dann wurden wir von einem sog. "Mikoshi Meister" kurz (auf Japanisch) in die Kunst des Schreintragens eingeführt und schon ging es los. In kleinen, rhythmischen Schritten, die Querbalken des mehr als eine Halbe Tonne wiegenden Schreins auf den Schultern gelagert (klicke unten aufs Fotoalbum). Dazu wird gesungen, gerufen, ja gar gestöhnt. V.a. das Hochstemmen ist für grosse Leute (wozu ich mich zähle) wirklich anstrengend und verspricht Schulterschmerzen.
Die Erfahrung war unglaublich. Unglaublich Japanisch. Aber man findet nicht so einfach heraus, warum man diesen Schrein jetzt durch die Strassen trägt. ;)

Von JP-Mikoshi

Donnerstag, 23. April 2009

Kirschblüten

Während meiner Reise durch Kambodscha informierte ich mich stets über die Reife der Kirschblüten in Japan. In Japanischen Medien wird laufend berichtet, wo and wann die erste Blüte aufbrechen könnte und wie diese Front anschliessend über die Insel ziehen wird. Denn dieser Zeitpunkt ist einer der schönsten in Japan. Es ist nicht einfach ein Naturereignis, sondern viel mehr ein gesellschaftlicher Anlass. So verkürzte ich meinen Aufenthalt im sympathischen Kuala Lumpur auf einen Tag und kehrte am letzten Sonntagmorgen im März nach Tokyo zurück.

Von JP-Hanami

Das Fest heisst 'Hanami' (お花見 - Kirschblüten bestaunen). Ganz Japan strömt in einer Kolonne in die Stadtparks von denen einige als besonders geeignet gelten um die 'Sakura' (桜 - Kirschblüte) zu bewundern. In Gruppen wird organisiert, wer eine blaue Picknickmatte, wer Snacks (z.T. auch aus Kirschblüten hergestellt) und Getränke mitbringt. Grosse Gruppen haben gar ein Megaphon dabei! Ein Fotoapparat hat natürlich jeder dabei. Ein Bildmotiv, so japanisch wie der verschneite Vulkankegel des Fuji-san.
Vor der Picknickmatte werden die Schuhe ausgezogen, der Alkohol ausgebreitet und getrunken. Erst noch gemächlich, aber beständig. Wenn die selbst die letzten Sonnenstrahlen die Baumkronen nicht mehr beleuchten mögen, zieht der Strom von Menschen wieder langsam, friedlich und freudig torkelnd zur U-Bahn zurück.

Oder wieso nicht noch eine Runde Karaoke?

Von JP-Hanami

So verbrachte ich meine erste Woche zurück in meiner neuen Heimat Tokyo. Eine wunderbare Woche. Danach begann das Semester und die Blüten fielen schon bald von den Bäumen. Eine weitere Woche und der Zauber ist vorbei.

Dienstag, 24. März 2009

Kambodscha in zwei Teilen

Kambodschas Geschichte hat zwei Teile, wie meine Reise durch dieses schoene Land und darum auch der Blogeintrag.

1. Teil: Die grossartigen alten Khmer

Von Cambodia09

Ich fuhr mit dem Bus von Thailand an die Grenze zu Kambodscha, welche ich zu Fuss ueberqueren musste. Auf der anderen Seite hab ich mit drei Japanern ein Taxi gemietet bis nach Siem Reap. Ich hatte eigentlich 200 km Schotterpiste erwartet, aber die Strassenbauer waren offensichtlich im letzten Jahr sehr fleissig. Nur bei den Flussueberquerungen drehten wir etwas durch...
Siem Reap ist die Stadt, die wieder Leben in die umliegenden Tempel von Angkor Wat blaest. Sie sind bequem per Tuktuk (dreiraedriges Motorrad mit Chauffeur) erreichbar.

Die Tempel wurden von den Khmer Koenigen v.a. zwischen dem 10. und 13. Jh. gebaut. Ihre Architektur und feinen Bildhauerarbeiten sind einmalig und zeugen von der Grossartigkeit des Khmer Reiches, das in seiner Bluetezeit grosse Teile von Suedostasien umfasste. Die Tempel wurden oft vom Koenig seinen Eltern gewidmet, je nach seiner Gesinnung zeigen die Basreliefs (fruehere) hinduistische oder (juengere) buddhistische Figuren und ganze Geschichten.

Die Khmer kamen spaeter jedenfalls ziemlich unter Bedraengnis von Vietnam und Thailand und ihre Grenzen konnten im 19. Jh. schiesslich nur noch durch ein franzoesisches Proktektorat gesichert werden, damit Kambodscha nicht voellig von der Landkarte verschwindet. Auch das Verkehrsnetz wurde stark ausgebaut zu dieser Zeit. Nach dem 2. Weltkrieg erlangte es unter Koenig Sihanouk die Unabhaengigkeit. Im Vietnamkrieg wurde Kambodscha bombardiert, da sich Vietkongs hierhin zurueckzogen. Alles wurde mit Landminen uebersaeht. Die Tempel mussten z.T. zuerst wieder neuentdeckt werden mitten im Jungel und wurden von Archaeologenteams aus der ganzen Welt wieder ausgegraben.


2. Teil: Die graesslichen Khmer Rouge

Von Cambodia09

Nach zwei Tagen Tempelbesichtigung fuhr ich mit dem Boot den Fluss hinunter in die Hauptstadt Phnom Penh. Dort erwartete mich eine ganz anderes Gesicht der Khmer.

Der Reichtum der alten Khmer beruhte auf ihrem erfolgreichen Reisanbau und dessen Export. Genau dahin wollte eine revolutionaere Gruppe in den 70er Jahren zurueck. Die 'Khmer Rouge' unter der Fuehrung von Pol Pot kamen mit Hilfe der chinesischen Maoisten an die Macht und revolutionierten die kambodschanische Gesellschaft. Alle wurden enteignet und von den Staedten aufs Land getrieben um Reis anzubauen. Es gab weder Besitz noch Bildung noch Familie. Alles wurde der kollektiven Landwirtschaft unterstellt. Wer nicht ins System passte (d.h. eine Spur hatte von Urbanitaet, Bildung, Fremdsprache, sogar Brillentraeger) wurde grausam gefoltert und ermordet. Mitsamt der ganzen Familie.

In Phnom Penh habe ich ein ehemaliges Schulhaus besucht, das dann 1975 in eine Folterhalle verwandelt wurde. Die Beschreibungen der Methoden liessen Uebelkeit in mir aufkommen. Die Personen, die durch das Museum fuehren sind meist die einzigen Ueberlebenden ihrer Familie, die hier gefoltert wurde.
Danach fuhr ich mit dem Fahrrad zu den 'Killing Fields', dem Ort an dem die Gefolterten schliesslich exekutiert wurden. Um Kugeln zu sparen wurden grausame Methoden der Toetung angewendet. Kinder wurden an einen Baum geschlagen bis zu ihrem letzten Herzschlag.
Kalter Schweiss laeuft mir den Nacken herunter als ich um diesen Baum gehe und im Hintergrund spielende Kinder der naheliegenden Schule singen hoere. Kambodscha ist bewegend.

Ende 1979 wurde Kambodscha von Vietnam besetzt und setzte der Schreckensherrschaft der Khmer Rouge ein Ende. Allerdings wurde ihnen niemals richtig der Prozess gemacht und vieles bleibt unverarbeitet.
Diese 5 Jahre Herrschaft hatten einen Drittel der Bevoelkerung dahingerafft, alle Akademiker ermordet, die Ueberlebenden traumatisiert.

Die Spuren kreuzen meinen Weg durch Kambodscha immer wieder.

Mittwoch, 18. März 2009

Thailand, aber warum?

Nach dem ich in so was wie "Ferien zu Hause" geflogen bin (und auf die ETH-Abschlussreise in Istanbul), bin ich jetzt wieder auf dem Weg zurueck nach Tokyo fuer meine Masterarbeit. Da diese aber erst im April beginnt, hab ich einen Zwischenstop eingelegt um einen Hauch Indochina zu atmen.



Ich stoppte also in Bangkok und fuhr mit dem Zug in den Sueden nach Chumphon, wo ich Schwester Sarah und Stefan traf. Dort waren wir hauptsaechlich in Korallen und Nudelsuppen am herumschnorcheln. Zurueck in Bangkok tanzten wir mit den Ladyboys herum, schneiderten uns Anzuege und machten weitere (weniger anzuegliche) Sachen.

Jedenfalls zog ich dann Richtung Nordosten nach Ayutthaya, dem frueheren Koenigssitz von Siam (fruehes Thailand) und heute UNESCO Weltkulturerbe. Ich erkundete die dortigen Tempelanlagen mit dem Motorrad, was wenigstens etwas kuehlen Wind brachte. Dann in den Khao Yai Nationalpark um Ruesseltiere (v.a. Elefanten) zu suchen, aber nur deren Exkremente zu finden. Und von dort aus reiste ich an die Kambodschanische Grenze.

In diesen 10 Tagen erlebte ich Thailand als sehr intensives Land. Es gibt dort irgendwie alles und dann erst noch in sehr starker Auspraegung. Das beginnt schon bei alltaeglichen Dingen wie beispielsweise dem Essen. Es ist alles entweder total scharf oder salzig. Und die Getraenke sind so suess, dass man trotz Riesendurst nach dem ersten Schluck genug davon hat.
Dies im krassen Gegensatz zu Japan, wo man sich immer aufs Wesentliche konzentriert; den Fisch am besten roh und ungewuerzt geniesst.

Sonntag, 1. Februar 2009

Die Turboschildkröte

Als ich mit geschlossener Blende Tempelaufnahmen machen wollte, raste plötzlich ein Junge (der vorher gerade noch am beten war) an mir vorbei und zog mit. So entstand dieser Schnappschuss.


Die Schildkröte ruht scheinbar am Hals des Jungen, doch der rennt durch die Tempelanlage. Der Tempel dreht sich um die Erde, welche unbeirrt durch die Milchstrasse fliegt.

Sagt also nicht, die Schildkröte sei langsam.

Donnerstag, 29. Januar 2009

Der Schrimständer

Leser, lange gabs nichts mehr zu lesen.
Ich habe etwas zu viel um die Nase diese Tage. Vor allem im Studium: 10 Rütteltischversuche vorbereiten (je 400 kg Sand), 1 Arbeit schreiben über die Aktivitäten während des Semesters, 1 Finite Element-Programm schreiben, 3 Prüfungen ablegen. Und einige persönliche Entscheidungen zu fällen.

Aber bald komm ich zurück!
Meine Flugpläne: 10.Feb. nach Zürich. 14.Feb. nach Istanbul für eine Woche, 8.März nach Bangkok.
Würd mich freuen, euch da und dort mal zu sehen.

So, der formelle Teil ist vorüber. Nun aber zum interessanteren Teil des Blogeintrags, dem Schirmständer:
In Tokyo regnets zwar nicht häufiger als an andern Orten, aber die Tokyoter tragen keine Regenmäntel, drum gibts ziemlich viele Schirme hier. Und bei unerwartetem Regen kauft man sich einfach grad einen Schrim an der Strassenecke. Er ist für 4 Fr. erhältlich.
Da der Platz eng ist, sind die nassen Schrime in Kaufhäusern einfach mühsam. Drei Möglichkeiten haben sich die schlauen Japaner überlegt:

1. Sie stellen den Schirm einfach in einen Schrimständer vor dem Kaufhaus (wie in allen anderen Kulturen auch). Hier sehen aber alle Schrime genau gleich aus und jeder nimmt einfach irgendeinen aus dem Schirmständer. Wer zulange im Kaufhaus bleibt, für den hats dann halt keinen mehr übrig!

2. Also kombinierte man den Schirmständer mit einem Schliessfach und erhielt das folgende, unpraktische, unförmige Produkt (siehe Bild).


3. Nun, da erinnerten sich die Japaner an die freudigeren Seiten des täglichen Lebens und schufen so eine Art "Schirmkondom", den sie beim Betreten des Kaufhauses über ihren Schirm stülpen. So können sie den Schirm hineinnehmen. Überall hin. Ohne Nebenwirkungen.