Sonntag, 26. Oktober 2008

Leben in Tokyo


Seit gut drei Wochen wohne ich nun in einem ganz kleinen Zimmer (siehe oben, Sicht vom Balkon siehe unten) in einem ganz grossen Studentenheim, in einer unfassbar grossen Stadt. Der Komaba-Campus, wo die "International Lodge" liegt, ist im Stadtteil Shibuya ist ein sehr junges, trendiges Quartier. Haupttätigkeiten Shopping und Clubbing. So werden auch die Japanischen Tussies mit ihren blond gefärbten Haaren und kurzen Jeans als "Shibuya-girls" bezeichnet. Hier lebt man 24/7, die Grenzen zwischen Tag und Nacht verschwinden. Die erste U-Bahn im sonntäglichen Morgengrauen nach dem Ausgang ist so voll wie während der Rush-hour. Nur die farbigen Röcke wechseln sich mit schwarzen Anzügen ab.


Obwohl Japan nicht gerade ein Einwanderungsland ist - was nur schon der Gesichtsausdruck der Beamten der Immigrationsbehörden klarmacht, gibt es sehr viele ausländische Studenten an der Uni Tokyo (=Tokyo daigaku, kurz Todai). Im Studentenheim sinds Leute aus aller Welt, sogar einige die Deutsch oder Französisch sprechen. Hauptsächlich natürlich Asiaten. China, Vietnam, Indien und die Philippinen pflegen einen regen akademischen Austausch mit Japan, v.a. in der Erdbebenforschung. Mit diesen Studenten habe ich einfach Kontakt gefunden, denn sie sind auch sehr offen für neue Kontakte.
Fremde Japaner anzusprechen ist im Alltag eher schwierig. In der U-Bahn beispielsweise wäre es sehr aufdringlich, wenn man einfach Smalltalk beginnen würde. Die Leute wollen sich erholen, schlafen, lesen oder Emails schreiben während der Reise. Im Ausgang )wenn sie schon etwas getrunken haben= sind die Japaner dann fast euphorisch, schliessen gerade Freundschaft aber wollen lieber lauthals singen als lange Gespräche führen.
Sehr gut aufgehoben bin ich aber an der Uni. Da die Arbeitskollegen in Japan den Kern des Freundeskreises darstellen, wir auch viel daran gesetzt, dass es allen dort gefällt. Ich wurde schon an etliche "Welcome-Partys" der Uni eingeladen, meist so Apéro-Anlässe wo man schnell mit allen in Kontakt kommt. Mein Professor wollte bei der ersten "Party" von jedem ein Gedicht in der jeweiligen Muttersprache hören. Es zählt also viel mehr, als nur die Forschungsresultate. Der Mensch dahinter steht anfangs im Vordergrund. Und wenn ich von meinen Hobbies und aus meinem Leben erzählen, haben die Japaner eine Art, völlig fasziniert zu lauschen, unterbrochen von einem erstaunten Ausruf "Aa, so desu-ka!" (=Ach so ist das!).

Montag, 13. Oktober 2008

Herbst in Nordjapan



Fuer drei Wochen hatte ich den Railpass, der mich quer durch Japan fuerhte.
Nach meinem Surftrip auf der Insel Shikoku reiste ich in die Japanischen Alpen. Die Temperaturen dort waren grad 20 Grad kaelter, doch die Skigebiete sind schon noch nicht offen. Ich besuchte Tom in Takayama, der dort ein kleines Schweizer Restaurant fuehrt und mich auch gleich zu sich einlud. So war ich das erste Mal bei einer (Halb-)Japanischen Familie zu Hause und konnte waehrend zwei Tagen so auch das Familienleben miterleben.
Es gibt dort auch ein tolles Museumsdorf, wo es noch traditionelle Bauernhaeuser aus dem 17.Jh. gibt (siehe Innenraum oben).



Ich erkundete mit dem Fahrrad die Matsushima-Bay, eine Meeresbucht mit sehr vielen kleinen Inselchen und voller Fischerboote (siehe Bild oben)



Zuletzt landete ich noch in Nordhonshu (das immer noch suedlicher als die Schweiz liegt), wo die herbstlichen Temperaturen bereits die ersten Blaetter verfaerbten (siehe Bild oben). In der Naehe von Sendai stieg ich in einen Bus bis zur Endstation mitten im Wald. Von dort bestieg ich in ziemlichem Tempo den Vulkankrater Daito-dake, weil vier Stunden spaeter schon der letzt Bus zurueck in die Zivilisation fuehrte (zwei Busse pro Tag). Auf dem Weg durch die herbstlichen Waelder kam ich an kleinen Wasserfaellen und einem merkwuerdigen, riesigen, grunzenden hirschaehnlichen Wildtier vorbei, das mir den Weg versperren wollte. Da auf beiden Seiten des Weges glitschige Haenge waren, versuchte ich, das Tier mit lautem Gegrunze, Kamerablitz, und einem dicken Ast zu vertreiben. Nach einer Weile verabschiedeten wir uns tatsaechlich grunzend voneinander und ich konnte rechtzeitig zur Busstation rennen :-)



Ein schoener Ausflug war auch nach Kakunodate, ein altes Samuraidorf, wo tatsaechlich noch viele Samuraihaeuser mit ihren gepflegten Gaerten stehen (siehe oben). Samurai waren sozusagen die Ritter Japans, deren oberstes Gebot die Treue zu ihrem Herrn war. Ehrverletzungen konnten sie oft nur mit Harakiri begegnen (Selbstmord durch Schwerthieb in den Bauch).



Kurz vor meiner Rueckfahrt in die Weltmetropole genoss ich noch einen idyllischen Sonnenuntergang am Tazawa-See (siehe oben) und stieg dann in den Zug nac Tokyo, meinem neuen Zuhause.

Dienstag, 7. Oktober 2008

Japanisches Verkehrssystem - oder wieso der `Shinkansen` die Distanzen schrumpft




In Japan unterwegs zu sein ist vielleicht etwas vom angenehmsten und sichersten ueberhaupt.
Der ganzen Kueste entlang gibt es den Hochgeschwindigkeitszug `Shinkansen`, der die Strecke von Tokyo nach Fukuoka (1200km) beispielsweise in 5h bewaeltigt (im 5min-Takt!). Fuer diese hohen Geschwindigkeiten wurde ein eigenes Trasse mit 1.4m Spurweite und sehr grossen Kurvenradien gebaut, das meist ueber Bruecken, Daemme und Tunnels fuehrt, was dem landschaftlichen Reiz Japans nur schwer gerecht werden kann. Beim kreuzen zweier Zuege ist der Druckstoss so gross, dass der Wagen gerade einen seitlichen Ruck erfaehrt. Die Japaner, die meist schlafen schauen dann kurz auf und traeumen dann gleich weiter. Die Sitze sind fuer eine gute Erholung auch entsprechend dreh- und kippbar.
Ein weiteres Hilfsmittel fuer die Schlafmuetzen ist eine individuelle Melodie an jeder Station, die man im Schlaf wohl besser erkennt als eine Durchsage.
Der Service entspricht etwa dem Airline-Standard. Die Hostessen verbeugen sich beim Eintreten in den Wagon, verkaufen ganze Mahlzeiten und kochen Tee. Nebenbei gibts auch Getraenkeautomaten und eine Telefonkabine im Zug. Das meiste ist in doppelter Ausfuehrung vorhanden, `Japanese style` und `Western style`, z.B. die Toiletten (Plumsklo und Klosomat) und die Informationen (Japanisch und English). In den Unterkuenften gibts diese Trennung bei Zimmern und Beadern uebrigens ebenfalls.

Neben dem Shinkansen gabs natuerlich schon frueher ein Zugsnetz der `Japan Rail`, das etwa mit dem `SBB` Netz vergleichbar ist, jedoch nur Meterspurweite hat.
Weil Japan aber eine sehr ausgedehnte Kuestenlinie hat und mein Reiseprogramm weit mehr als 4000km beinhaltete, musste ich auf den teuren Shinkansen zurueckgreifen. Und da dieser mit Touristenvisum weit erschwinglicher ist, muss ich mich diese Tage eben mit den Immigrationsbehoerden herumschlagen, die keinen Spass verstehen wenn jemand als Tourist einreist und dann an der Uni studieren will...

Fuer die Feinverteilung gibts dann noch viele Buslinien, die sehr langsam sind und wo niemand mehr English versteht. Da gilt es also, die chinesischen Schriftzeichen an der Haltestelle innert Sekunden zu entziffern! (Randbemerkung: die Japaner benutzen u.a. chinesische Schriftzeichen, haben aber auch noch zwei japanische Alphabete).

In den Staedten gibts dann ausgezeichnetes U-Bahnsystem. In Tokyo beinhaltet dies so viele Linien, dass immer tiefer ins Erdreich gebohrt wurde und die Rolltreppen endlos erscheinen und einem bald mal 10min rauben koennen... Es gilt also jeweils, die `aeltesten` U-Bahnlinien zu waehlen, die sehr nahe an der Erdoberflaeche sind und einen 2-Minuten-Takt bieten.

So reise ich also jeden Morgen quer durch Tokyo. Aber das Heimweh nach dem Velo bleibt.